Der behutsame Umgang mit introvertierten Kindern: Strategien und Empfehlungen

Sie ziehen es vor, den Raum still und zurückhaltend zu füllen; manchmal nehmen sie erst das Wort, wenn sie direkt angesprochen werden, manchmal verharren sie jedoch gänzlich im Schweigen: Kinder mit einem leisen Wesen, geprägt von Schüchternheit, finden oft nicht den Mut, sich in einer Gruppe zu behaupten und zu zeigen. Doch auch sie wollen, so wie alle Kinder, gehört und verstanden werden.

Was versteht man unter Schüchternheit?

Schüchternheit wird oft als angstbedingtes Verhalten identifiziert, das vorwiegend in sozialen Interaktionen zum Vorschein kommt. Gemäß des Schweizer Erziehungswissenschaftlers Professor Dr. Georg Stöckli manifestiert sich Schüchternheit durch eine dreifache Symptomatik:

  • Körperliche Reaktionen, etwa Erröten, Herzrasen oder ein nervöses Magengefühl,
  • Geistige Manifestationen wie überhöhte Selbstbeobachtung, negative Selbstbewertung oder Selbstkritik,
  • Sozial auffälliges Verhalten, zum Beispiel durch gehemmte, unbeholfene oder zurückziehende Muster.

Solange Schüchternheit nicht in Form einer sozialen Phobie auftritt und Angstgefühle auslöst, gilt sie nicht als psychische Störung, sondern vielmehr als Teil des Temperaments, das die emotionale, motorische und aufmerksamkeitsbezogene Reaktion des Menschen beschreibt.

Was löst Schüchternheit bei Kindern aus?

Schon bei den Kleinsten lässt sich Schüchternheit als charakterliche Eigenschaft beobachten. In der Erziehungsweise des Kindes liegen mögliche Faktoren, doch neuste wissenschaftliche Erkenntnisse weisen darauf hin, dass biologisch-neurologische Aspekte – wie die Gehirnfunktionen – bei Schüchternheit eine Rolle spielen.

Insbesondere ist bei zurückhaltenden Menschen die Amygdala, ein Areal des Gehirns, das für Emotionen wie Angst und Furcht verantwortlich ist, besonders leicht erregbar.

Strategien für den Umgang mit introvertierten Kindern – 5 Empfehlungen Beobachten Sie zunächst ein Kind, das sich durchgängig reserviert verhält, um ein Verständnis für das Maß seiner Schüchternheit zu gewinnen. Sollte die Schüchternheit überdurchschnittlich stark sein, sind empathische Herangehensweisen gefragt.

 

Im Folgenden einige Ratschläge zur achtsamen Betreuung leiser und zurückhaltender Kinder:

Förderung von Selbstsicherheit bei introvertierten Kindern

Um introvertierten Kindern den Raum zu geben, sich vermehrt zu öffnen, bedarf es eines gesteigerten Selbstvertrauens. Geben Sie Anerkennung und Lob für kleine Errungenschaften und nutzen Sie affirmative Worte. Es ist essenziell, schüchterne Kinder nicht zu bedrängen, ihr schüchternes Verhalten nicht zu rügen und es vor allem nicht in der Öffentlichkeit anzusprechen.

Würdigen Sie kleine Erfolge: „Mir ist aufgefallen, wie gut dir das gelungen ist. Ich freu mich für dich!“ Erinnern Sie das Kind immer wieder an seine Erfolgserlebnisse, insbesondere in herausfordernden Momenten.

Delegieren von kleinen Verantwortlichkeiten

Übertragen Sie zurückhaltenden Kindern behutsam kleine Aufgaben, die sie erfolgreich bewältigen können. Solche könnten beispielsweise sein: Pflanzen gießen, beim Kochen helfen oder eine Botschaft überbringen. Betonen Sie, wie wichtig ihre Unterstützung ist: „Deine Hilfe ist sehr wertvoll für mich, weil ich dadurch Zeit habe, mich um etwas anderes zu kümmern.“

Mehr Mut für introvertierte Kinder durch Rollenspiele

Regen Sie fantasievolle Rollenspiele an, in denen die Kinder andere Seiten an sich erspüren können. Bieten Sie Szenarien an, wie etwa das Spielen eines starken Riesen, eines tapferen Feuerwehrmanns oder eines Clowns im Rampenlicht. Durch solche Rollen können Kinder neue Verhaltensweisen in einem geschützten Rahmen erfahren.

Etablieren von Ritualen für mehr Sicherheit

Konstante Abläufe, Stetigkeit und Rituale vermitteln Kindern Geborgenheit und fördern damit ihr Sicherheitsgefühl. So helfen etwa morgendliche Verabschiedungsrituale den Kindern, sich unbeschwerter von ihren Eltern zu lösen.

Zum Beispiel: Erfreuen Sie das Kind mit einem „Zauberspruch“ der Kraft und Mut zuspricht, oder bauen Sie ein „Kraftgetränk“ bei den Mahlzeiten ein, um die Morgenroutine zu beleben.

 

Zusammenfassung:

Empfehlungen für den Umgang mit introvertierten Kindern

  • Selbstsicherheit aufbauen durch Lob und positive Verstärkung,
  • Aufgaben zuteilen und schrittweise Verantwortung übergeben,
  • Jedes Kind individuell nach seinem eigenen Tempo unterstützen,
  • Rollenspiele als Mittel zur Stärkung von Mut und Selbstbewusstsein,
  • Rituale etablieren, um ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen.